Fotografie: Ziqian Liu / Text: Lena Barkovic

”In meiner Nacktheit gehören Zeit und Raum ganz mir selbst”

Was mich am Akt so fasziniert ist, dass der Körper indirekt Emotionen zeigen kann. Was ich fühle, was ich ausdrücken möchte, das vermittelt mein Körper. Als Kommunikationsmedium ist die Sprache des Körpers sanfter als die des Gesichts. Er kann sich ausbreiten, mehr Raum einnehmen und dadurch Nachdenklichkeit in den Menschen auslösen.

Die Kraft des Selbstporträts

Meine Arbeit besteht ausschließlich aus Selbstporträts. Das ist auch der Grund wieso ich gerne alleine arbeite. Meine Kamera, mein Smartphone und eine gute Verbindung zwischen den beiden ist die einzige technische Ausstattung, die ich brauche. Im täglichen Leben verbringen wir viel Zeit damit, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Deshalb glaube ich, dass es sehr wichtig und notwendig ist, sich auch einmal Zeit für sich selbst zu nehmen. Selbstporträts zu machen ist für mich ein Weg mit mir selbst zu kommunizieren. Manche Leute denken womöglich, dass ich mich einsam fühle, aber ich glaube, dass man in dieser Einsamkeit auch Genuss finden kann. Im Prozess des Fotografierens merke ich, dass mein Innerstes ruhiger wird und ich dadurch konzentrierter werde.

Ein Ventil für das Gehirn

Wenn ich mich auf meinen Körper konzentriere, dann werfe ich ganz natürlich Hemmungen und Selbstbeschränkungen ab. Das bezieht sich nicht nur auf überflüssige Kleidungsstücke, sondern auch auf den Geist: Trivialitäten und ungeordnete Gedanken, die ich habe. Man könnte sagen, dass durch die Aktfotografie und meine Nacktheit, Raum und Zeit ganz mir selbst gehören. Was ich erzählen möchte erreicht seine reinste Ausdrucksform, also ist es wie ein Ventil für das Gehirn.

 

Meine Arbeit als Motivation für mein künftiges Ich

Ich möchte meinem Publikum Geschichten von kleinen Welten vermitteln, die in sich ruhig, aber in keinem Falle eindimensional sind. Ich möchte eine Frau zeigen, die nach Außen weich und zierlich, aber innen von Stärke zeugt. Tatsächlich sind Elemente meiner Bildwelten jene, die ich in mir selbst sehen möchte. Manchmal bin ich rastlos, von meiner eigenen Unsicherheit umgarnt – ein Sklave meiner Emotionen. Darum möchte ich die Gefühle und Bilder, die ich für den Betrachter kreiere, Teil meines künftigen Ich werden lassen.

Variierende Annäherungsversuche

Mein Kreativprozess ist nicht immer derselbe. Manchmal habe ich ein einfaches Bild in meinem Kopf. Dann zeichne ich gerne ein paar einfache Linien auf ein leeres Stück Papier. Wenn ich diese Linien betrachte, dann überlasse ich meinem Gehirn die Aufgabe etwas daraus zu generieren. Sei es ein Thema, das sich daraus entwickelt, oder Requisiten und Gesten die es ausdrücken. Andere Male schreibe ich einfach auf was ich fühle und lege das als Thema fest. Dann denke ich darüber nach, wie ich es ausdrücken möchte. Und dann gibt es noch solche Male an denen alles sehr einfach ist und ich einfach ein bestimmtes Objekt verwenden möchte.

Das Streben nach Perfektion

Ich bin Perfektionistin. Ich bin kritisch gegenüber Menschen und Dingen, die mir wichtig sind. Aber ich bin noch kritischer was meine eigene Arbeit betrifft. Wenn ein Finger nicht im richtigen Winkel gebogen ist muss ich so lange weitermachen, bis ich endlich zufrieden bin. Es ist egal, ob es die Idee, das Fotografieren oder die Post-Produktion ist – ich versuche mich so lange an verschiedenen Ansätzen, bis ich schließlich eine Entscheidung treffe und ein neues Werk erschaffe.

 

Ziqian Liu wurde 1990 in Peking geboren und lebt heute in Shanghai.