A band of brothers


Skateparks sind die neuen Golfplätze. Sagt man. Weil sich hier Leute treffen, anfreunden und gemeinsame Dinger durchziehen. Aber dann kann man Skater eben doch nicht mit einer Golf Community vergleichen. Denn anders als bei den betuchten Rasensportlern, die aus einem meist halbhöhenlagigen Milieu entspringen, kommen Skater aus allen sozialen Schichten – und bringen ihre unterschiedliche Herkunft mit.

„It’s history, you know?!“

So geschehen vor zwei Jahren, als der aus Ghana stammende Italiener Jesse nach Stuttgart kam und in den Skateparks schnell Anschluss fand. Dort traf er nach und nach Carl, Tobi, Ludwig, Nick, Fabi, Youssou, Ferdi, Mo, Fynn und viele andere. Man tauschte Nummern aus, verabredete sich zum Skaten und Feiern. Und weil die WhatsApp-Gruppe keinen Namen hatte, wurde sie nach Jesses Lieblingsquote benannt: „Easylife“. Der Rest ist Geschichte.

Was eine gemeinsame Sprache für die Jungs bedeutet und warum der Easy-Life-Style über das gemeinsame Skaten und miteinander abhängen hinausgeht, soll in diesen Text an späterer Stelle noch erörtert werden. Zuerst aber mal zurück zur bunten Truppe: Verbunden durch die Leidenschaft „Skateboarding“ und dem gemeinsam erlebten Zeitgeist, spürten die Boys schon bald, dass mehr in ihnen steckt, als die Summe aller Einzelteile.

Skate together, walk together.

Denn obwohl Skate Crews eine lange Tradition haben – denken wir nur allein an die Z-Boys aus Santa Monica, die in den 70ern gegründet wurden oder die Fruits Family rund um Glenn Michelfelder, die seit den Nullerjahren in Stuttgart für Furore sorgt – ging es bei den losen Zusammenschlüssen zerlumpter Adoleszenz selten über das kollektive Shredden hinaus. Trotzdem ist jedem Skateboarder klar, dass er sich nicht nur über sein Skaten, die Kleidung und sein Equipment definiert, sondern einen kompletten Lebensstil in sein Selbstverständnis einbezieht. Dazu gehört wie selbstverständlich auch der Umgang mit Musik, Kunst und Medien.

Wobei wir wieder bei Easylife sind: Obwohl jeder der Boys für sich gesehen ein Individualist ist, stehen alle für ein gemeinsames Verständnis von Kreativität. Die unterschiedlichen Backgrounds vereinen sich in der Gruppe zu einer Melange, die sich in unterschiedlichen Formen, Produkten und Events ihren Weg bahnt.

Gemeinsame Orte: real und virtuell

Noch mit dem Akronym KSK für „Korruptes Skatekollektiv“ im Gepäck ging es dann vom Chillen zur Party, vom T-Shirt zum Sweater, vom Skatepic zum Video. Gemeinsame Orte schaffen Identität, wie die „Paule“ – eine Kirche mit Curbs und Ledges an der Paulinenbrücke, oder das Kottan zum Abhängen und Trinken, dann Instagram zum Posten und Teilen. Orte verknüpfen Geschichten und werden zu Fixpunkten, um sich zu treffen und auszutauschen. Der Skateshop „Arrow & Beast“, in dem auch Tobi neben seinem Studium jobbt, ist der neuralgische Knotenpunkt der Szene – und damit auch der Crew.

A common language.

Neben eigenen Ausdrücken für Spots und Orte, für sich wiederholende Situationen, Code-Wörter für bestimmte Erlebnisse und Insider-Kommentare, die nur verstehen kann, wer dabei ist, bildet Austausch, Kommunikation und Sprache eine wichtige Grundlage für die bilinguale Truppe. „Wir machen alles zusammen – und reden auch über alles, zum Beispiel über Privates, Politik und Religion.“ Das kommt so natürlich und ungefragt aus dem Mund, aus mehreren Mündern, dass es aufhorchen lässt. Wie kommt es, dass sich ein paar Jungs im Alter zwischen Anfang und Ende Zwanzig sich als kleinsten gemeinsamen Nenner auf das Skaten, aber im Gesamten auf eine gemeinsame Haltung, eine „Attitude“, verständigen können – ohne sich dabei selbst zu verbiegen, aber als Gruppe homogen zu wirken und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen?

„It was automatic.“

Entstanden ist vieles aus der Tradition heraus, das eigene Skaten dokumentieren zu wollen: in Fotos und Videos. Die Gestaltung der Medien und die notwendige Untermalung mit Musik führt zur entsprechenden Auseinandersetzung mit den notwendigen Techniken. Neben den selbst erworbenen Skills durch Learning-by-doing wachsen einige in Ausbildungen zu Mediengestaltern und Grafikdesignern hinein. Jeder bringt mit, was er drauf hat und lernt von den anderen. Nick baut Obstacles, Jesse rappt, Carl kollagiert. „Wir helfen und supporten uns.“ Das ist dann doch mehr als eine Pflichtveranstaltung.

Einfach machen.

Auch das steckt im Namen – und im Mindset der Crew: Alles kann, nichts muss. Es gibt schon genug Druck im Alltag, dann kann und soll die Crew nicht auch noch aus Stress und Leistung bestehen. Klappt ein Trick: cool. Wenn nicht: auch egal. Und genau so geht es mit den anderen Projekten. Mal eine Party, eine Ausstellung, Sticker, Clips, Prints auf Shirts – no stress. Und trotzdem geht einiges voran. Immer wieder treffen sich die Jungs und schmieden Pläne. Dann kommt eine Idee zur anderen. Ein Gedankenspiel, Assoziationen fliegen hin und her, es wird viel gelacht. Und dann hängt man wieder zusammen rum, zum Beispiel in der WG von Ferdi, Tobi und Fynn am Bopser, eine Pizza ist bestellt, und der Rechner ist an. Ja Mann, das Logo sieht cool aus. Wo können wir das drucken? Kennt sich jemand damit aus? Nein? Egal, einfach machen.

Einfach Spaß haben.

Seid ihr Wettkampf-Skater? Haha, Gelächter. Alles andere als das. Keiner springt für das Video die 20er Stufen runter, vielleicht nicht mal die 10er. Viel wichtiger ist das Setting – gemeint sind Zeit und Ort – wo und wie alles stattfindet. Also Hauptsache zusammen sein, an Sonnenund Regentagen. Gemeinsam Spots entdecken, mal was Neues ausprobieren. Und wenn es sich gut anfühlt, auch für sich claimen. Da gibt es zum Beispiel diesen Spot oberhalb des Kessels, mitten in den Reben des städtischen Weinguts. Man muss da über einen Zaun klettern und hat aber einen bombastischen und sehr exklusiven Blick über Stuttgart. Hier kommen sie immer wieder hin, und auf den warmen Steinen den Tag ausklingen zu lassen ist pures Gold. Und als Kirsche auf die Sahne? Der Downhill zurück in die Stadt – keine skateboarderische Höchstleistung, einfach nur gute Laune. Easylife eben.

Creative Director
Saeed Kakavand

Regie
Matthias Straub / Olivier Moser

Director of Photography
Olivier Moser

Post-Produktion
Olivier Moser

Music
DJ Urlaub
soundcloud.com/dj-urlaub

Text
Matthias Straub

Fotografie
Saeed Kakavand, Matthias Straub, Tobias Leischner

Layout
Carl Altmann