Visions of Humanity: das komplexe Zusammenspiel von Literatur und Design

Die zweite Ausgabe von Visions (of Humanity), hat eine besonders starke literarische Ausprägung, die eng mit einer ansprechenden, lesbaren und visuellen Sprache einhergeht. Die Ausgabe ist eine Sammlung an „Microfiction“, also wissenschaftlichen Artikeln und Kurzgeschichten, die Themen wie das Leben, den Tod und das Aufwachsen in einer technologischen Welt behandeln.

Auf diese Weise soll eine vielschichtige Vision der Zukunft erschaffen werden, die der Leser genießen kann und ihn zum Nachdenken anregt.  

Wie bist du auf die Idee für Visions of Humanity gekommen?

Das Konzept zu Visions of Humanity entstand zeitgleich zur ersten Visions­­-Ausgabe, Visions of Home. Ich wollte eine Reihenpublikation über Science Fiction machen, die eine literarische Perspektive auf das Genre geben sollte. Außerdem wollte ich das visuelle Erscheinungsbild auf ein neues Niveau heben.

Die innere Struktur hat sich über die Zeit entwickelt, aber alles begann mit der Idee alle Aspekte von Sci-Fi, von kurz bis lang, in einem Roman erlebbar zu machen. Ich übersetzte einen Roman namens Quinzinzinzany und die Themen von Heimat und Menschheit haben sich daraus entwickelt. Der Bereich Heimat handelt von der Zerstörung der Welt, wie wir sie kennen. Und der Bereich Menschheit, weil die Menschen, die das überleben, eine andere Sorte Mensch werden – und vermutlich auch eine neue Bezeichnung anstatt des Wortes „Menschheit“ zugeschrieben bekommen sollten.

Der Rest des Magazins entstand auf Basis dieser Ideen, von der Kindheit bis zum Sterbebett. All diese Zustände sind mit der Technologie verwoben und damit, wie wir uns selbst sehen: schön und besorgt.

Was fasziniert dich an Menschen am meisten?

Vermutlich ihre Widerstands- und Anpassungsfähigkeit. Aber auch die Fähigkeit Probleme zu lösen, Werkzeuge zu erschaffen und sie einzusetzen. Und wenn man das alles als Eines sieht: Wenn wir uns nicht evolutionär weiterentwickeln können, so schaffen wir es dennoch zu überleben. 

Mit wem hast du dich zu deinen Ideen zu Visions of Humanity ausgetauscht? Wer hat dich dabei unterstützt das Magazin zu entwickeln und fertigzustellen?

Ich glaube nicht, dass man so etwas wie Visions ohne die Hilfe von Freunden, Familie und Partnern schaffen kann. Obwohl das Projekt hauptsächlich mein persönliches war, ist es einfach zu viel für eine einzelne Person. Das Design wurde stark von meiner anhaltenden Kollaboration mit Matthew Young, Tom Etherington und Francisca Monteiro beeinflusst. Sie haben nicht nur kleinere Gestaltungspunkte eingebracht: Sie waren unglaublich unterstützend und großzügig, wenn es darum ging Zeit in die Korrekturen etc. zu stecken. Redaktionell waren mein Partner und James Matthews-Paul für jegliches Feedback zuständig. Letzterer hat sehr hart an der Überarbeitung meiner Übersetzung und am Leermachen des Slush-Maschine gearbeitet.

Was waren die größten Herausforderungen beim Erarbeiten des Magazins?

Meine Antwort oben zeigt schon wie komplex die Aufgabe ist. Du musst den Inhalt finden, ihn gestalten. Und wenn du völlig ausgelaugt bist und denkst, dass du das Licht am Ende des Tunnels sehen kannst, dann muss man das Ganze auch noch an den Mann bringen.

Und obwohl das Erarbeiten des Magazins schon hart ist, ist das Ermitteln und Erhalten eines Kundenstammes noch viel härter. Es ist schwer guten Content zu finden und Designs zu kreieren, die schön, ansprechend, klar und lesbar sind – aber es ist noch viel schwerer jemanden davon zu überzeugen für eine Ausgabe Geld liegen zu lassen.

Und wie hast du das geschafft?

Ich hatte das Glück, dass ich für ein paar Jahre im Verlagswesen tätig war und dort viel über die verschiedenen Bereiche lernen konnte. Für den redaktionellen Part war es hilfreich zu wissen, welche Art von Inhalt man braucht. Normalerweise weiß man innerhalb einer Minute, ob eine Einreichung zum Magazin passt. Konstruktive Ablehnungen zu schreiben verlangt so viel mehr Zeit. Was das Design betrifft war es ein langer Weg herauszufinden, was ich genau mit „mehr literarisch“ und „anders“ meinte. Nur durch „trial and error“ (und mit dem Feedback meiner talentierten Freunde) konnte ich langsam das undeutliche Bild in meinem Kopf schärfen. Zum Thema Marketing: Ich habe an Buchkampagnen gearbeitet und gelernt, wie man tausenden Menschen ein Buch präsentiert und es ihnen verkauft. Das hat mir wichtige Einblicke zu verschiedenen Ansätzen und Mechanismen gegeben und auch dazu, wie man das mit einem kleinen Geldbeutel schafft.   

Hast du in der aktuellen Ausgabe eine Lieblingsdoppelseite? Wenn ja, welche und wieso?

Ich habe so viel Arbeit darin investiert, dass sich die Doppelseiten stark mit der Stimmung dem Stil des Inhalts verknüpfen, sodass es schwer ist einen Favoriten auszuwählen. Müsste ich trotzdem wählen, dann wäre das Skelett für Tom Offlands A Few Things I Miss About Skeletons an erster Stelle.

Ich habe für diese Geschichte gemeinfreies Material recherchiert, das sowohl eine tiefe Traurigkeit als auch eine skurrile, absurde Leichtigkeit an sich hat – und dann fand ich die Holzschnitte von José Guadalupe Posada. Die Art, wie die Skelette niedere Tätigkeiten verrichten war einfach eine Punktlandung. Ich habe mir eine der Illustrationen hergenommen und begann sie umzuarbeiten. Als ich sie dann auf der Seite platzierte, machte es unmittelbar Sinn! Das Skelett sollte quer über die Doppelseite nach dem Titel greifen – aber im Sinne einer liebevollen Umarmung, nicht als ein jagender Zombie. Als ich die Seite dann fertigstellte sagt mir Tom, der Autor, dass er ein Fan von José Guadalupe Posadas Arbeit ist. Die perfekte Kombination also!

Welches Projekt steht als nächstes an?

Aufgrund der aktuellen Situation ist es schwer eine dritte Ausgabe zu generieren, aber ich möchte auf jeden Fall irgendwann daran anknüpfen. Im Moment experimentiere ich mit Buchdruck und vielleicht wird daraus eine kürzere Ausgabe von Visions entstehen, die ich an meiner Presse von Hand drucke. Der Inhalt wird eher experimentell, aber ich brauche eine Ruhepause bevor ich mich an eine weitere Doppelvorstellung mache.


Fotocredit: Stéphane Maniaci


Mathieu Triay ist Software-Entwickler mit großer Leidenschaft für Design. Der kreative Programmierer arbeitete 5 Jahre lang als technischer Direktor der Website Night Zookeeper, wo er ein gamifiziertes Schreibprogramm entwickelte, das Kindern online hilft kreativer zu werden. Später arbeitete er an neuen preisgekrönten kreativen Konzepten bei Penguin Books. Seine Arbeit umfasste die Erarbeitung eines neuen interaktiven Konzepts, das Bücher um eine zusätzliche Informationsebene erweitert und dadurch bis dahin neue Zielgruppen anspricht. Er ist derzeit leitender Software-Entwickler für den Forschung- und Entwicklungsbereich der BBC und führt nebenher ein kleines Kreativunternehmen. Er kreiert Webseiten, Schriften und ein Magazin namens Visions, eine Reihenpublikation rund um das Thema Science Fiction. Dabei wird besonderer Fokus auf die beiden Themen Heimat und Menschen gelegt.

Fotografie: Christina Rollny / Text: Lena Barković