Der Stuttgarter Club Rocker 33 war in den Nullerjahren eine der bekanntesten Diskotheken in ganz Deutschland. Kunst, Musik, Mode und Selbstinszenierung verschmolzen an diesem Ort, der stilbildend für die Stuttgarter Subkultur war. Mit zahlreichen Fotos aus der Zeit, die Gäste und Künstler:innen als Protagonisten der Nacht zeigen, entwickelt sich ein Kaleidoskop der Rocker 33 Clubwelt. Die Autoren Christian Schiller, David Spaeth und Matthias Straub fangen die dem Nachtleben zugrunde liegende Symbiose aus Kunst und Ökonomie genauso ein, wie auch die Magie, die sich aus dem zur Umnutzung freigegeben Raum und dem angrenzenden sozialen und kulturellen Mikrokosmos entwickelt hat.
Christian, wie und wann kam dir die Idee zu Blood, Sweat & Tears ?
Von 2005 bis 2011 war ich Mitbetreiber des Clubs Rocker 33 in Stuttgart. Schon zu Beginn des Projekts wollten wir ein Format, das im besten Fall den Exzess jener Nächte, vor allem aber ein Gefühl als chronologisch ablaufende Ereignisse darstellt und festhält. Wir wollten, dass Fotos, Interviews, Texte und persönliche Anekdoten verschmelzen. Wir wollten von legendären Clubnächten erzählen, die für uns zu Schlüsselmomenten wurden.
Nachdem das Projekt lange Zeit auf Eis lag, habe ich mit einem befreundeten Designstudio aus Berlin Layouts entwickelt, die ich anschließend mit den Mitherausgebern diskutiert habe. Mit David Spaeth, dessen Bilder integraler Bestandteil des Buches sind und mit Matthias Straub, der sich für die Texte des Buches verantwortlich zeichnet.
Was fasziniert dich an der Nighlife-Kultur am meisten?
Mich interessiert, unter welchen Voraussetzungen diese Kultur entsteht, welche Elemente zusammenkommen müssen, um einem Ort Leben einzuhauchen. Stimmen die soziale und die ästhetische Dimension, entsteht im Idealfall ein Ort, an dem sich alles mit allem mischt. Man lässt sich treiben, verliert sich in der Musik und erlebt, zumindest für die Dauer der Nacht, ein kollektives Wir-Gefühl.
Was sind die größten Herausforderungen beim Büchermachen?
Ich denke, die Herausforderungen beim Büchermachen sind sehr individuell. Daher möchte hier nicht verallgemeinern. Bei „Love, Sweat & Tears“ war die Schwierigkeit, neben der Auswahl der Bilder eine Geschichte zu erzählen, die nicht in Nostalgie versinkt, die eigenen Emotionen und Erlebnisse aber passend beschreibt. Gleichzeitig wollten wir eine Gestaltung, die den Vibe und die Ästhetik der Nullerjahre transportiert.
Und wie hast du sie gemeistert?
Indem wir es geschafft haben dem Buch eine Leichtigkeit zu geben. Bei der Auswahl der Bilder, beim Schreiben der Texte und beim Gestalten. Das Ergebnis ist eine authentische Geschichte über einen Abschnitt unseres Lebens.
Hast du eine Lieblingsdoppelseite im Buch?
Eine meiner Lieblingsdoppelseiten zeigt die Aufnahme während eines Konzerts der Band ‚The Bloody Beetroots‘. Das Bild wurde mit einer Kamera aufgenommen, die über der Bühne hing und in die Menge fotografierte. Zu sehen ist ein gnadenlos überfüllter Clubraum voller verschwitzter Menschen. Beim Betrachten des Bildes spürt man die unglaubliche Energie. Gleichzeitig überkommt einen das Unbehagen, wenn man die vielen Leute in dem viel zu engen Raum sieht.
CHRISTIAN SCHILLER ist Creative Direktor und Inhaber der Agentur Gold & Wirtschaftswunder in Stuttgart. Er arbeitete in namhaften Werbeagenturen und Designstudios. Als Art Direktor arbeitete er für Kunden, die Wert auf progressives, inhaltsmotiviertes Design legen. Seine Arbeiten wurden vielfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Als Creative Direktor entwickelt er disziplinübergreifende Konzepte für internationale Marken und Unternehmen. Er lebt und arbeitet in München und Stuttgart.
Foto: David Spaeth